Analyse der „Mega-Radwegoffensive 2023“

Info: Am 23.3.2024 wurde die Analyse um den Abschnitt Nachzügler verbessern die Gesamtbilanz 2023 erweitert.


Im März 2023 wurde von Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima wie schon im Jahr zuvor eine „Mega-Radwegoffensive“ vorgestellt. 50 Projekte mit mehr als 20 Kilometern wurden versprochen. Mitte Jänner 2024 veröffentlichte Sima ein Video zur Bilanz des Jahres 2023.

Ulli Sima: „2023 war ein Wahnsinnsjahr für die Radinfrastruktur. Wir haben über 30 Millionen Euro ausgegeben, über 50 Projekte umgesetzt und in Summe mehr als 20 Kilometer Radinfrastruktur baulich errichtet.“ – wirklich? Zeit für einen Reality Check!

Schon kurz zuvor – am 10. Jänner 2024 – starteten wir einen Thread, in dem sich ein interessanter Dialog mit dem Account der Mobilitätsagentur @fahrradwien ergab.

Wir haben dabei gelernt, dass nicht nur fertig gebaute Projekte, sondern auch begonnene zur Jahresbilanz gezählt werden, die am 15. Jänner mit dem Titel „Bilanz: 2023 errichtete die Stadt Wien 20 km neue Radinfrastruktur“ veröffentlicht wurde. Diese schwammige Zuordnung war Anlass für eine schnelle Umfrage auf Twitter, die zeigt, dass diese Art der Bilanzierung nicht mehrheitsfähig ist.

Die Schlagzeile wird zwar schon im 2. Satz des Blogposts mit „Bei 53 Projekten wurden der Bau zumindest begonnen, viele sind bereits fertiggestellt“ relativiert, Medien übernehmen aber oft nur die Schlagzeile.

Radverkehrsanlagen, Sima und Medien

So gut wie immer wird jegliche Verkehrsfläche, die für Radfahrende gedacht ist, als Radweg bezeichnet. Vor allem Verkehrsstadträtin Sima sollte es besser wissen und flapsige Formulierungen bleiben lassen. „Wir bauen 20 Kilometer Radwege“ geht natürlich leichter über die Lippen als „Wir bauen neue Radwege, Geh- und Radwege, fahrradfreundliche und Fahrradstraßen und Mehrzweckstreifen, öffnen Einbahnen und Busspuren und verbessern den Bestand auf insgesamt 20 Kilometern“, aber durch die verkürzte Darstellung wird ein falsches Bild transportiert. Die Medien sind daher gefordert, kritischer zu berichten und Presseaussendungen und Aussagen Verantwortlicher zu überprüfen, anstatt sie einfach zu übernehmen.
Einen Überblick über alle Arten von Radverkehrsanlagen gibt es auf der Website der Stadt Wien.

Wie viele Projekte und Kilometer wurden 2023 tatsächlich umgesetzt?

Zur Beurteilung werden das auf wien.gv.at veröffentlichte „Bauprogramm Radverkehrsanlagen 2023“ (Stand 10.1.2024), die von der Mobilitätsagentur veröffentlichte Bilanz 2023 (15.1.2024) und der tatsächliche Zustand der Projekte herangezogen – ist der Status „fertiggestellt“ oder „baulich fertig, Bodenmarkierungen fehlen“, dann wird das jeweilige Projekt in unserer Bilanz berücksichtigt. Ist die Anlage noch eine Baustelle oder noch nicht mal das, hat sie in einer Jahresbilanz nichts verloren.
2 Beispiele: Beim verbreiterten Radweg in der Praterstraße fehlen seit Monaten nur noch Bodenmarkierungen, die Anlage wird aber bereits rege benützt – darum wird der Radweg trotz des Baustellencharakters in unsere Jahresbilanz fertiger Projekte der Kategorie „Bestandsverbessung“ aufgenommen. Der 3. Abschnitt des Radwegs in der Krottenbachstraße ist auch schon markiert, ausgeschildert und benützbar, obwohl er noch den Status in Bau hat, und gilt in unserer Bilanz als fertiger Neubau.

Im Laufe des Jahres 2023 gab es einige Änderungen im Bauprogramm: Von 50 im März 2023 angekündigten Projekten haben es 9 nicht in die Bilanz der Mobilitätsagentur geschafft, 4 wurden zu 2 zusammengelegt, 1 wurde auf 3 geteilt, 11 kamen neu dazu und 2 weitere, die schon im Bauprogramm 2022 angekündigt wurden, wurden zusätzlich in die Bilanz 2023 aufgenommen. So kommt die offizielle Bilanz auf 53 Projekte mit 20.248 Metern Länge.

Für unsere Analyse wurden die teils großzügigen Längenangaben aus der offiziellen Bilanz übernommen, bei einem Projekt wurde allerdings eine Korrektur vorgenommen:
„Schottenring von Schottengasse bis Heßgasse“, 20 statt 97 Meter, da die angekündigte Verlegung des Radweges in die Nebenfahrbahn nicht umgesetzt wurde.
Die Gesamtlänge der für die Bilanz 2023 berücksichtigen Radverkehrsanlagen reduziert sich damit auf 20.171 Meter.

53 Projekte, davon 35 fertig

Von 53 Projekten in der offiziellen Bilanz können 35 als fertig gewertet werden. Diese 66 Prozent liegen über dem Wert der fertigen sicheren Radverkehrsanlagen gemessen an deren Länge. Das ist wenig überraschend, da Bestandsverbesserungen oft mit kleineren baulichen Maßnahmen auskommen. Für eine fahrradfreundliche Straße reichen z. B. schon ein paar Bodenmarkierungen und mit ein paar Verkehrszeichen wird eine Fahrradstraße daraus.

Aber auch sichere Radwege sind mit kleinen baulichen Maßnahmen umsetzbar. Oft würde es reichen, eine Fahr- oder Parkspur mit Betonleitschienen oder Pollern vom Kfz-Verkehr abzutrennen. Andere Städte machen es vor, nur in Wien setzt die Verkehrsstadträtin ausschließlich auf den Goldstandard. Die Klimakrise erfordert schnelle und ressourcenschonende Maßnahmen. Warum also Straßen aufreißen und mit viel zeitlichem und finanziellem Aufwand Radwege bauen, wenn es auch schneller und billiger ginge?

Vor allem würde eine solche Vorgehensweise Ulli Simas größtes Problem lösen: Sie betont regelmäßig, dass das Tempo des Ausbaus der Radverkehrsanlagen durch einen Mangel an Baukapazitäten gebremst wird. Offenbar mangelt es aber auch am Willen, die Verkehrswende voranzutreiben.

Bilanz Bauprogramm 2023: 8,1 Kilometer sichere Radinfrastruktur

Sichere Infrastruktur, also Radwege und Geh- und Radwege, machen in der Bilanz insgesamt 16.614 Meter aus – davon sind 9.408 Meter Neubauten in Straßen, in denen bisher keine Radverkehrsanlage vorhanden war. Zum Zeitpunkt der Bilanzierung waren allerdings erst 8.155 Meter fertiggestellt, davon sind 4.082 Meter Neubauten. Die Bestandsverbesserungen in der Kategorie sicherer Infrastruktur machen 4.073 Meter aus.

Als Bestandsverbesserung gilt der Umbau bestehender Radverkehrsanlagen in sicherere Anlagearten, z. B. ein Upgrade von einem Mehrzweckstreifen auf einen Einrichtungsradweg, aber auch eine Verbesserung innerhalb derselben Anlageart – das kann z. B. durch die Verbreiterung eines bestehenden Radweges der Fall sein.

Über alle Anlagearten verteilt wurden von 20.171 in die offizielle Bilanz aufgenommenen Metern erst 10.386 Meter fertiggestellt – also nur rund 51 Prozent.

Mehr Transparenz zeigt unklare Zuordnungen

Positiv zu vermerken ist, dass die Bilanz des Jahres 2023 auch als Liste mit den zur Bilanz gezählten Projekten inklusive deren jeweiliger Längen veröffentlicht wurde. Das schafft mehr Transparenz, wodurch im Vergleich zu den Vorjahren ersichtlich wurde, wie großzügig Ulli Simas Ressort Projekte zuordnet.

Diese Transparenz zeigt aber auch, wie unklar die Zuordnungen zu den Jahresbilanzen sind. 2 Beispiele dafür:
Der 1. Abschnitt des Radwegs in der Krottenbachstraße wird in der offiziellen Jahresbilanz 2023 mit 386 Metern gelistet, wurde aber bereits für 2022 angekündigt und wird im Bauprogramm Radverkehrsanlagen 2022 als fertiggestellt angeführt. Wurde dieses Projekt doppelt gezählt? Mangels veröffentlichter Liste zur offiziellen Bilanz 2022 bleibt das unklar.
Der Lückenschluss in der Herndlgasse wird wiederum in der offiziellen Jahresbilanz 2023 mit 540 Metern berücksichtigt, obwohl selbst Ende Februar 2024 noch keine Bautätigkeit statt fand. Auf Nachfrage informierte die Mobilitätsagentur, dass dort Bauvorarbeiten durchgeführt wurden.

Unklarheiten wie diese werden sich erst im Laufe der Jahre mit voller Transparenz auflösen.

Andere Unklarheiten haben sich geklärt: Z. B. werden beidseitig errichtete Einrichtungsradwege als eigenständige Anlagen gezählt. So können am Rennbahnweg auf 935 Meter Länge gleich 1.870 Meter neue Radwege entstehen. In unserer Bilanz werden sie allerdings nicht berücksichtigt, da sie noch in Bau sind. Diese Berechnungsart ist zum Teil nachvollziehbar, andererseits wird der Autobahnzubringer „Stadtstraße“ auch nur als „3,2 Kilometer lange Gemeindestraße“ bezeichnet, obwohl die Fahrtrichtungen baulich getrennt sind und beim Anlegen des gleichen Maßstabs als 6,4 Kilometer gelten müssten.

Besser als 2022, aber immer noch zu wenig

Es wäre wünschenswert, wenn die Planung des Bauprogrammes zukünftig realistischer wird und die Fertigstellungsquote der für das Kalenderjahr geplanten Projekte sich 100 Prozent nähert. Auch die vielen Änderungen in der Liste seit der Präsentation zeigen, dass es sich dabei mehr um eine Absichtserklärung als einen Plan handelte. In der offiziellen Bilanz sollten nur fertige Projekte berücksichtigt werden. Das wäre ein Anreiz, angekündigte Projekte auch noch im selben Jahr abzuschließen.

Die Transparenz kann noch gesteigert werden, indem die Finanzierung offen gelegt wird. Von den kommunizierten 30-35 Millionen Euro, die für den Ausbau der Radverkehrsanlagen veranschlagt werden, kommt der Großteil vom Bund und nicht der Stadt Wien. Interessant wäre z. B., ob Projekte wie der Neubau des Kagraner Steges voll dem Radbudget zugeordnet werden.

Die Zahlen in übersichtlicher Form

Im vorangegangenen Text kommen viele Zahlen in unterschiedlichen Zusammenhängen vor. Eine Tabelle erübrigt weitere Worte zu einzelnen Kategorien.

Basierend auf den in der offiziellen Bilanz angegebenen Längen – abzüglich zuviel verrechneter 77 Meter am Schottenring – ergeben sich die folgenden Werte für die verschiedenen Arten von Radverkehrsanlagen:

Radwege
14.188 m
Neubau
8.575 m
fertig3.249 m
in Bau5.326 m
Bestandsverbesserung
5.613 m
fertig2.985 m
in Bau2.628 m
Geh- und Radwege
2.426 m
Neubau
833 m
fertig833 m
in Bau
Bestandsverbesserung
1.593 m
fertig1.088 m
in Bau505 m
Radfahren gegen die Einbahn
693 m
Neubau
451 m
fertig451 m
in Bau
Bestandsverbesserung
242 m
fertig242 m
in Bau
Fahrradstraße
2.067 m
Neubau
92 m
fertig92 m
in Bau
Bestandsverbesserung
1.975 m
fertig649 m
in Bau1.326 m
Fahrradfreundliche Straße
430 m
Neubau
fertig
in Bau
Bestandsverbesserung
430 m
fertig430 m
in Bau
Mehrzweckstreifen/
Radfahrstreifen
363 m
Neubau
363 m
fertig363 m
in Bau
Bestandsverbesserung
fertig
in Bau
Sonstiges
4 m
Neubau
fertig
in Bau
Bestandsverbesserung
4 m
fertig4 m
in Bau
Gesamt
20.171 m
Neubau
10.314 m
fertig4.988 m
in Bau5.326 m
Bestandsverbesserung
9.857 m
fertig5.938 m
in Bau4.459 m

Nachzügler verbessern die Gesamtbilanz 2023

Der bisherige Teil der Analyse bezieht sich nur auf das veröffentlichte „Bauprogramm Radverkehrsanlagen 2023“ und die offizielle Jahresbilanz. Es gab aber nicht erst 2023 Projekte, die nicht im Jahr der Ankündigung fertiggestellt wurden. Zur Gesamtbilanz 2023 müssen auch jene gezählt werden, die es in unserer Analyse der „Mega-Radwegoffensive 2022“ nicht in die Jahresbilanz 2022 geschafft haben, weil sie erst 2023 fertiggestellt wurden. Die Werte des Bauprogramms 2023 werden somit um 4.320 Meter an Radwegen und 180 Meter an Geh- und Radwegen ergänzt, davon 3.640 Meter Bestandsverbesserungen.

2023 wurde sichere Infrastruktur mit 12.655 Metern Länge fertiggestellt. Davon erschlossen 4.942 Meter Strecken, auf denen bisher keine Radverkehrsanlagen vorhanden waren, 7.713 Meter waren Bestandsverbesserungen.

Die Längen der erst 2023 fertiggestellten Projekte des Bauprogramms 2022 wurden durch eigene Messungen im Stadtplan ermittelt und ergeben die folgenden Werte für die verschiedenen Arten von Radverkehrsanlagen:

Radwege
4.320 m
Neubau
680 m
Bestandsverbesserung
3.640 m
Geh- und Radwege
180 m
Neubau
180 m
Bestandsverbesserung

Radfahren gegen die Einbahn
510 m
Neubau
510 m
Bestandsverbesserung

Fahrradstraße
350 m
Neubau
350 m
Bestandsverbesserung
Fahrradfreundliche Straße
1.490 m
Neubau
1.490 m
Bestandsverbesserung
Radfahren auf Busspuren
750 m
Neubau
750 m
Bestandsverbesserung
Gesamt
7.600 m
Neubau
3.960 m
Bestandsverbesserung
3.640 m

12,7 Kilometer (Geh- und) Radwege pro Jahr sind nicht genug

Für Projekte, die nur aus Farbe und/oder Verkehrszeichen bestehen, ist der Begriff Infrastruktur zu hoch gegriffen. Inklusive dieser unsicheren – baulich nicht getrennten – Radverkehrsanlagen wurden 2023 Projekte in der Länge von insgesamt 18.526 Metern fertiggestellt.

Der korrigierte Titel der offiziellen Bilanz müsste daher lauten:
Bilanz: 2023 errichtete und verbesserte die Stadt Wien 18,5 km Radverkehrsanlagen

Unter dem Begriff „Mega-Radwegoffensive“ darf nur sichere Infrastruktur gezählt werden. Von der groß angekündigten „Mega-Radwegoffensive 2023“ bleiben nur 8,1 Kilometer an fertiggestellter sicherer Infrastruktur übrig – davon 4,1 Kilometer auf neuen Strecken. Mit erst 2023 fertiggestellten Projekten der „Mega-Radwegoffensive 2022“ erhöht sich die Länge zwar auf knappe 12,7 Kilometer, von denen aber nur knapp unter 5 Kilometer neue Strecken erschließen.

Mega? Kaum. Offensive? Auch nicht. Fahrradhauptstadt? Garantiert nicht.

Ausblick: Der Weg zur Fahrradhauptstadt

Ein wichtiges Ziel für die weitere Arbeit ist die Erschließung neuer Zielgruppen, also Bevölkerungsgruppen zum Radfahren zu bringen, die bis dato im Wiener Radverkehr unterrepräsentiert waren.

Das Wiener Rad-Manifest, 2013

Die Erhöhung des Radverkehrsanteils ist ein Schritt am Weg zur Klimamusterstadt. 2013 wurden das Ziel ausgegeben, dass der Radverkehrsanteil von 5 Prozent im Jahr 2010 bis 2015 auf 10 Prozent verdoppelt werden soll. Dieser Wert wurde auch 2021 noch nicht erreicht.
Update: Am 22.3.2024 wurde der Modal Split 2023 veröffentlicht, in dem der Radverkehrsanteil mit 10 Prozent angegeben wird.

Im Jahr 2013 beschloss die Wiener SPÖ gemeinsam mit den Grünen den Grundsatzbeschluss Radfahren in Wien und die Stadt Wien veröffentlichte Das Wiener Rad-Manifest. 10 Jahre später wird es höchste Zeit, die schönen Worte von damals endlich umzusetzen.

Wie schon 2022 wurden auch 2023 einige wichtige Projekte begonnen, aber ein großer Teil bestand lediglich aus Verbesserungen bestehender Radverkehrsanlagen. Wichtiger als an vielen Stellen kurze Radwegabschnitte zu errichten ist die Schaffung eines echten Radwegenetzes mit langen durchgängigen Radwegen, um möglichst vielen Menschen die Benützung des Fahrrads im Alltag zu ermöglichen. Für Kinder oder auch Ungeübte stellt jede Lücke in der Infrastruktur ein Hindernis und eine Einschränkung der Mobilitätsfreiheit dar. Sobald solche Hindernisse beseitigt werden und das Wiener Radwegnetz diesem Namen gerecht wird, wird der Radverkehrsanteil deutlich ansteigen.

Politik für die Verkehrswende statt schöner Worte

Die Anschaffung und die Erhaltung eines Autos ist teuer. Nicht alle dürfen Autos lenken. Autoverkehr verursacht Schäden an Klima, Umwelt und Gesundheit. Autos nehmen gemessen am Nutzen unverhältnismäßig viel öffentlichen Raum ein. Die Verkehrswende steht für soziale Gerechtigkeit und erhöht die Lebensqualität. Daher heißt es frei nach Ulli Sima: „Nicht alle können mit dem Auto fahren!“

Dessen ist sich die SPÖ bewusst und präsentiert seit Jahren bzw. teils Jahrzehnten Pläne, den Autoverkehr zu reduzieren und den Radverkehr zu fördern. Um die eigenen Ziele zu erreichen, reicht es aber nicht, statt der Umsetzung der großen Pläne nur ein paar Schauprojekte zu bauen und zu plakatieren, dass Wien Fahrradhauptstadt ist.

Damit Wien zur Fahrradhauptstadt wird, muss noch viel passieren. Die Stadt bietet bereits Radfahrkurse für Kinder und Erwachsene an, um mehr Menschen zum Radfahren zu motivieren. Das ist eine wichtige Initiative, es fehlen aber die Radwege, auf denen Ungeübte im Alltag radeln können. Kinder der 4. Schulstufe dürfen die freiwillige Radfahrprüfung ablegen und danach auch unbegleitet am Verkehr teilnehmen. Nur 5 Prozent der Eltern von Kindern im Alter von 6-10 schätzen das unbegleitete Radfahren als sicher ein, weitere 13 Prozent als eher sicher.

Wie alltagstaugliche Infrastruktur aussieht, zeigt Utrecht, das weltweit die wahre Fahrradhauptstadt sein dürfte. Paris war bis vor ein paar Jahren mit Wien vergleichbar und kann inzwischen als Vorbild bezüglich der Geschwindigkeit des Umbaus von der Autostadt zur Fahrradstadt dienen. Paris gab Ende 2021 bekannt, bis 2026 250 Millionen Euro in den Ausbau von Radinfrastruktur zu investieren, womit u. a. 182 Kilometer baulich getrennte Radwege errichten werden, wovon 130 Kilometer komplett neu und 52 Kilometer die Aufwertung bestehender Pop-up-Radwege sein werden. Paris hat aber nur rund 270.000 Einwohner mehr als Wien.

Die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ muss sich an Städten wie Utrecht und Paris orientieren, anstatt die wenig ambitionierte eigene Politik schönzureden.

Quellen und weiterführende Informationen:
Bauprogramm Radverkehrsanlagen – aktuell
Bauprogramm Radverkehrsanlagen – 2023
Bauprogramm Radverkehrsanlagen – 2022
Radwegoffensive 2023
Bilanz: 2023 errichtete die Stadt Wien 20 km neue Radinfrastruktur
Offizielle Bilanz 2023 als Liste
Presseaussendung zur Bilanz 2022
#radliebewien: Bilanz 2022
Hauptradverkehrsnetz Wien
Grundsatzbeschluss Radfahren in Wien
Das Wiener Rad-Manifest
Mobilitätsreport 2019
Freiwillige Radfahrprüfung
Inside the New Plan to Make Paris ‚100% Cyclable‘
Utrecht – planning for people, not for cars
Anteil der Radfahrer in Wien steigt