Gedanken zur Landstraßer Hauptstraße

Von Judith Brocza, Aktivistin bei Parents For Future, 10.11.2022

Ein Kind in der Landstraßer Hauptstraße mit dem Fahrrad auf den Schulweg zu schicken, ist gänzlich unvorstellbar, da hier absolut keine sichere Radinfrastruktur vorhanden ist. Für Radfahrende gibt es einen schmalen Fahrstreifen, links getrennt von der Autofahrbahn lediglich durch einen weißen Strich. Auf der rechten Seite des Radstreifens sind fast durchgehend Parkplätze. Wer jemals von einer aufgehenden Autotür umgestoßen worden ist (gedoort wurde), wird einen ausreichenden Seitenabstand zu parkenden Autos halten. Das zwingt jedoch wieder dazu, am äußersten linken Rand des Radstreifens unterwegs zu sein. Dort ist wiederum die Gefahr, von einem vorbeifahrenden Auto mitgenommen oder gestreift zu werden, umso größer. Radfahren wird hier also wieder zu einer reinen Glückssache.

Bei der Fahrraddemonstration am 4.11.2022 haben wir in der Landstraßer Hauptstraße Halt an einer Stelle gemacht, an der zu Jahresbeginn 2019 ein neunjähriger Bub ums Leben gekommen ist. Dieser Bub war auf dem Weg in die Schule und wollte gerade auf einem Zebrastreifen die Straße überqueren, als er von einem LKW überfahren wurde. Die Trauer seiner Eltern muss grenzenlos sein. Sie haben wahrscheinlich im vollen Vertrauen, dass ihr Kind ja nur in die Schule geht, dieses auf den Weg geschickt.

Aber auch ich fühle mich auf der Straße immer weniger sicher. Je älter ich werde, desto schlimmer wird es. Die Autos werden größer und brauchen immer mehr Platz, was auf Kosten der Sicherheit aller anderen geht. Ich will aber noch lange radfahren!

Radfahren wird nach wie vor als Freizeitbeschäftigung betrachtet. Radwege werden dort gebaut, wo es für den Autoverkehr gut passt und nicht dort, wo es nötig ist. Wir fordern ein Radwegenetz innerhalb des gesamten Stadtgebietes, um nämlich das zu ermöglichen, was das Radfahren wirklich bedeutet: eine umwelt- und klimafreundliche, die Gesundheit fördernde und sozial gerechte Fortbewegungart im Alltag. Und deren Förderung muss angesichts der Klimakrise oberste Priorität haben.