Tausende verlorene Jahrzehnte

Wie lange dauert es, bis ein Baum das CO₂, das bei einem Flug von Wien nach Paris anfällt, aus der Atmosphäre filtert? Eine pauschale Antwort gibt es darauf nicht, aber um ein Gefühl für die Größenordnung zu vermitteln: Jahrzehnte. Damit ist klar, dass die Rodung von mehr als 1.200 Bäumen keine Kleinigkeit ist. Seit Herbst 2023 wird darüber berichtet, dass diese Anzahl an Bäumen neben der A4 Ostautobahn im Rahmen von deren Sanierung gerodet werden soll. Bisher gab es nur vage Ankündigungen. Das soll sich jetzt ändern.

Der 10. Juli dürfte einer der heißesten Tage des Sommers 2024 sein. Trotzdem findet sich am späteren Nachmittag nahe der Stadionbrücke eine kleine Gruppe zu einer Fahrradbesichtigung entlang der A4 Ostautobahn ein. Im Schatten der hohen Bäume entlang der Lände warten fünf Personen seitens der Asfinag, inklusive des Leiters des Projekts „A 4 Ost Autobahn: Generalsanierung Knoten Prater bis Knoten Schwechat“, Ing. Thomas Kozakow, mit E-Bikes. Das ist die erste Überraschung: Die Asfinag hat gebrandete Dienstfahrräder. Außerdem sind noch einige Personen von sechs Initiativen, die im April zur Raddemo gegen die Massenrodungen im Zusammenhang mit den Bauarbeiten geladen haben, vor Ort. Zur Erinnerung: Mehr als 1.200 Bäume sollen gerodet werden. Die bisherige öffentliche Berichterstattung über das Projekt hat darüber hinaus wenig vermittelt. Dieses Treffen soll Licht ins Dunkel bringen.

Der Verkehr auf der Erdberger Lände dröhnt so laut, dass es schwierig ist, einander zu verstehen. Nach einer kleinen Vorstellrunde verlagert sich das Geschehen darum auf den unteren Weg, näher an den Donaukanal. Der Plan, die Lärmbelastung dadurch etwas zu reduzieren, schlägt fehl. Wie es nach der Vorstellung mehrerer Personen üblich ist, sind die Namen der meisten Beteiligten zu diesem Zeitpunkt bereits wieder vergessen. Ein Mitarbeiter der Asfinag hält augenzwinkernd fest, dass in dem Bereich noch nicht die Autobahn für den Lärm verantwortlich ist. Das stimmt teils, weil sie erst 50 Meter weiter beginnt. Allerdings ziehen Straßen Verkehr an – je mehr, je größer sie sind. Darum ist die A4 im Grunde doch für den Verkehr und all seine negativen Folgen hauptverantwortlich. Aber das nur als Bemerkung am Rande.

Der Verkehr muss fließen

In der akustischen Wolke des niemals stoppenden Kfz-Flusses, aber immerhin im Schatten einer kleinen Baumgruppe, geht es dann zum ersten Mal ans Eingemachte. Das Gespräch dreht sich vor allem darum, welche Verkehrsszenarien im Vorfeld analysiert wurden und warum die Wahl auf eine Variante fiel, bei der die Beeinträchtigungen für den Autoverkehr so gering wie möglich sind, obwohl Baustellen ideale Gelegenheiten sind, um Verhaltensänderungen herbeizuführen. Verhaltensänderungen, die notwendig sind, um die klimapolitischen Ziele der Stadt Wien und der Republik Österreich zu erreichen. Die Antwort ist relativ simpel: Das ist nicht Aufgabe der Asfinag. Deren Aufgabe ist es, den Verkehr am Fließen zu halten.

Die zweispurige Führung während der Sanierung wird mit der Durchlässigkeit für Einsatzfahrzeuge begründet. Bei einer einspurigen Führung wird mit bis zu zwei Stunden Rückstau gerechnet. Zwei Spuren mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h sollen den Verkehr am Fließen halten. Den Einwurf, dass der Ausbau der A4 angesichts der voranschreitenden Klimakrise nicht zeitgemäß sei und damit indirekt Menschenleben kostet, kontert Projektleiter Kozakow mit der provokanten Frage, wie viele Menschenleben es wert sind, wenn auf eine Spur verzichtet wird und Einsatzkräfte deshalb im Stau stecken. Da das Thema etwas komplexer ist und wenig mit dem Grund des Treffens zu tun hat, wird es schnell abgehakt. Für möglicherweise notwendige Rettungsfahrten während der Sanierung bleibt zu hoffen, dass der Plan der Asfinag funktioniert. Im Falle eines Staus ist der Platz für eine Rettungsgasse durch die temporär verschmälerten Spuren nämlich deutlich geringer als auf Autobahnabschnitten ohne Baustellen. Eine andere Frage ist, wie viele Rettungseinsätze, die nichts mit Unfällen auf der Autobahn zu tun haben, über die A4 führen.

Angekündigte Megastaus finden nicht statt

Ulrich Leth, Verkehrswissenschafter an der TU Wien, bringt ein, dass Autofahrende sich nicht täglich zwei Stunden lang in den Stau stellen, sondern Alternativen suchen – sei es durch das Fahren von Umwegen oder den Wechsel des Verkehrsmittels. Laut Kozakow tritt das innerstädtische Phänomen des verpuffenden Verkehrs bei Sperren überregionaler hochrangiger Straßen aber nicht auf, weil es keine Ausweichmöglichkeiten gibt. Studien dazu sind keine bekannt und offenbar wollen es weder die Asfinag noch die Stadt Wien auf den Versuch ankommen lassen.
Der schlecht ausgebaute bundesländerübergreifende öffentliche Verkehr ist in der Tat ein Problem. Da Autobahnsanierungen aber selten überraschend notwendig sind, hätte die Politik schon längst für Alternativen sorgen müssen. Die kurzfristige Absage der Straßenbahn zwischen Simmering und Schwechat ist nur ein Beispiel dafür, dass die politisch Verantwortlichen zu oft lieber persönliche Befindlichkeiten als harte Fakten als Entscheidungsgrundlagen heranziehen.
Fakt ist, dass die Gesprächsrunde am schmalen Weg für Verkehrsbehinderungen sorgt oder vielmehr sorgen könnte. Zum Glück sind der Rad- und Fußverkehr flexibel genug, um sie durch ein, zwei Schritte zur Seite am Fließen zu halten.

Nach dem Thema Verkehr kommen erstmals die Bäume ins Spiel. Der dafür verantwortliche Mitarbeiter der Asfinag zückt eine gefaltete Karte, auf der Flächen und Einzelbäume, die zur Rodung vorgesehen sind, eingezeichnet sind. Das Projektgebiet ist so groß, dass kurz darauf eine zweite Karte aufgeklappt werden muss. Die Karten zeigen temporäre und permanente Rodungen. Auf Nachfrage wird die Übermittlung als PDF zugesagt. In der Masse an mittlerweile zugesendeten Dokumenten waren die beiden Karten allerdings leider nicht dabei oder sehr gut versteckt.

Kein Wohlfühlprogramm für Radfahrende

Nach dieser einleitenden Diskussion kommt die Besichtigung endlich in Fahrt. Aber nur kurz, denn schon nach wenigen hundert Metern folgt der erste Stopp. Unter anderem erläutert Projektleiter Kozakow welche Konsequenzen die Baustelle für den Radverkehr hat. Kurz vor der Stadionbrücke wird der Radverkehr ab Oktober 2024 bis Ende 2025 über die Erdbergstraße zum Gaswerksteg umgeleitet. Während die Beeinträchtigungen für Autofahrende möglichst gering gehalten werden, müssen Radfahrende einen Umweg in Kauf nehmen, auf dem es zu allem Überfluss großteils keine Radinfrastruktur gibt. Der Radweg auf der Erdbergstraße beginnt nämlich erst kurz vor dem Gaswerksteg. Am anderen Ende des Gaswerkstegs laufen noch die Arbeiten an einer Rampe zur Lucie-Goldner-Promenade, auf der aktuell nur zwei Fahrrillen in der Wiese vorhanden sind. Für Radfahrende und Zufußgehende wird stattdessen ein Weg mit wassergebundener Decke errichtet. Umgangssprachlich ausgedrückt: Ein Schotterweg, vergleichbar der Promenade entlang des Liesingbaches. Sowohl die Rampe als auch der Weg müssen aufgrund einer Vorgabe der Stadt Wien nach dem Ende der Sanierung wieder rückgebaut werden.

  • Temporäre Rampe vom Gaswerksteg zur Lucie-Goldner-Promenade.

Nach der Weiterfahrt taucht am anderen Ufer die Rampe auf und es ist auf den ersten Blick klar, dass es sich dabei nur um ein Provisorium handelt, das keine Chance auf Fortbestand hat. Kaum auf den Sattel gesetzt heißt es auch schon wieder absteigen. Bei diesem Stopp geht es um die ersten Bäume, die gerodet werden sollen. Kozakow erklärt, dass die Verbreiterung der Autobahn im Bereich der Böschung beginnt. Zukünftig wird der Begleitweg dort neben einer Stützmauer und teils einer deutlich kleineren Böschung verlaufen.

Der Ort der „Geburt“ entscheidet über Leben und Tod

An dieser Stelle werden die unterschiedlichen Interessen sichtbar und es bilden sich kleinere Gesprächsgruppen. Eine kehrt zum Thema Verkehr zurück, in der anderen dreht es sich um die Bäume. Die für die ökologischen Maßnahmen verantwortlichen Personen betonen, dass die Rodungen in dem Abschnitt nur die Böschung direkt neben der Autobahn betreffen. Die Böschung hinunter zum Donaukanal wird nicht beeinträchtigt. Weiters wird erklärt, dass es sich bei den gerodeten Bäumen mehrheitlich um Neophyten wie Götterbäume, Robinien und Ölweiden ohne ökologische Bedeutung handle. Insekten sehen das wohl anders, denn der gerade blühende Chinesische Götterbaum, der sich in diesem Bereich unter die Pappeln gemischt hat, dient durchaus als Nahrungsquelle. Hier zeigt sich, dass nicht nur bei Menschen die Lotterie des Geburtsortes über Glück im Leben entscheidet, sondern auch bei Bäumen. Der größte und schönste Götterbaum steht auf der Böschung, die sein Todesurteil bedeutet – jede Menge kleinere wachsen auf der anderen Seite des Weges, auf der sie unbehelligt bleiben. Grund dafür sind die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse entlang des Donaukanals: Asfinag, Stadt Wien und viadonau verfolgen bezüglich der Neophyten keine gemeinsame Strategie. Die erneute Ausbreitung des Götterbaums auf Grundstücke der Asfinag wird somit kaum zu verhindern sein.

  • Die Böschung rechts zwischen der A4 und dem Begleitweg wird gerodet und verschmälert.

Etwas abseits erhebt sich auf der Böschung zum Donaukanal eine mächtige alte Pappel. Noch, denn sie ist bereits abgestorben. Ein Mitglied des Asfinag-Teams nennt Biberverbiss als Ursache. Damit sie nicht irgendwann von einem Sturm umgeworfen wird, wäre aus Sicherheitsgründen eine Fällung angebracht. Aufgrund der verworrenen Zuständigkeiten wird das wohl noch längere Zeit nicht geschehen.
Die Situation an dieser Stelle des Donaukanals erinnert an den Umgang der Politik mit dem Klimawandel. Die meisten Länder – auch Österreich – schieben die Verantwortung von sich und haben wenig Interesse an grenzüberschreitenden Maßnahmen. So können weder der Klimawandel noch seine Folgen abgeschwächt werden. Durch dieses politische Versagen führt der Klimawandel zur Klimakrise und weiter in eine Klimakatastrophe. Aber kehren wir gedanklich zur Besichtigung am Donaukanal zurück.

Die andere Gesprächsgruppe ist inzwischen wieder beim Thema der Verkehrszählungen gelandet. Klaus Wechselberger von „Zukunft Stadtbaum“ und der „Umweltinitiative Wienerwald“ nützt die Gelegenheit, um die Lufttemperatur zu messen. Im Schatten der Baumreihe beträgt sie knapp über 35°C, zwanzig Meter weiter steigt sie ohne das schützende Blätterdach rasch deutlich an. Das wirft die Frage auf, ob zwischen der A4 und dem Begleitweg die Pflanzung einer Baumreihe angedacht ist, um für durchgehende Beschattung zu sorgen. Die Antwort ist kurz und knapp: Leider wird das nicht möglich sein, da im Zuge des Projektes neue unterirdische Einbauten errichtet werden, die einer Bepflanzung im Wege stehen.

Neue Technik für die Autobahn

Beim nächsten Stopp lichten sich endlich die Nebel der bisher bekannt gewordenen Informationen. Die gute Nachricht: Entlang des Donaukanals sollen deutlich weniger Bäume als befürchtet gerodet werden. Die schlechte Nachricht: An der Gesamtzahl der zur Rodung beantragten Bäumen ändert sich nichts.
Entgegen ersten medialen Berichten betreffen die Rodungen entlang des Donaukanals nicht die komplette Länge, sondern nur bestimmte Stellen, vornehmlich aus der ersten Reihe. Das ist sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht. Denn gerade dort stehen viele Bäume, die ihre Äste schattenspendend über den Begleitweg strecken. Zumindest vormittags klappt das gut. Als Begründung für die Rodungen wird der neue Querschnitt genannt: Die Autobahn wird um ca. zwei Meter verbreitert. Seitlich erhält sie einen Streifen mit technischen Einbauten, in dem auch neue Leitungen laufen, mit deren Hilfe die Asfinag die Anlagen entlang der Autobahn möglichst energieautark betreiben will. Zusätzlich wird die Entwässerung erneuert. Aktuell fungiert der Grünstreifen neben der Autobahn als kleiner Graben, der das Wasser zu den Abflüssen leitet.

  • Über den Begleitweg ragende Äste spenden je nach Tageszeit Schatten.

Der Begleitweg soll zukünftig vier Meter breit sein. Das ist weniger als derzeit, aber aus Sicht des Fuß- und Radverkehrs vertretbar. Eine Lärmschutzwand ist nicht vorgesehen, aber im Gegensatz zur aktuellen Situation wird die Autobahn zukünftig aus Sicherheitsgründen durch einen Zaun vom Begleitweg abgetrennt. Dazu erzählt einer der Mitarbeiter die Anekdote, dass er live erlebte, wie ein Mann über die Leitplanke stieg, um ein Fast-Food-Lokal auf der anderen Seite der Autobahn zu erreichen. Fast-Food hat nicht ohne Grund den Ruf, gesundheitsschädlich zu sein. Aber er gibt auch themenspezifische Tipps: Zum Beispiel erwähnt er den online verfügbaren Wiener Baumkataster, in dem auf öffentlichem Grund wachsende Bäume vermerkt sind.
Entlang der A4 wird also viel passieren. Ob „Sanierung“ angesichts der großen Anzahl an Änderungen der richtige Ausdruck ist, ist fraglich. „Neubau im laufenden Betrieb“ trifft es womöglich eher.

Welche Bäume gerodet werden

Im ersten Abschnitt der A4 von Erdberg bis zum Schwenk in die Hochlage sind rechts des Begleitweges zwei Flächen betroffen, die komplett gerodet werden. Links vom Begleitweg wurden im Bereich der Schwemmkanäle und von Ausweichbuchten Rodungsanträge für einzelne Bäume beziehungsweise kleinere Baumgruppen gestellt. Aufgrund des Zeitpunktes der Anträge fallen diese noch unter das alte Wiener Baumschutzgesetz. Ersatzpflanzungen müssen daher im Umkreis von 300 Metern erfolgen. Nach der Novelle wären Ersatzpflanzungen innerhalb des gesamten Bezirkes möglich gewesen. Außerdem greift das Baumschutzgesetz nur bei Bäumen mit mehr als 40 Zentimeter Umfang und bestimmten Arten. So sind z. B. auch größere Kirsch- und Walnussbäume nicht geschützt. Die Zahl der tatsächlich gerodeten Bäume wird die der beantragten somit um ein Vielfaches übersteigen.

  • Baumgruppen bei Kanälen sollen gerodet werden. Rechts der Mitte steht „Baum 1086“.

Der für die Bäume zuständige Mitarbeiter erklärt lächelnd, inzwischen jeden Baum dieses Abschnitts persönlich zu kennen. Er vermittelt einen sehr engagierten Eindruck und gibt einen guten Einblick in die Vorgehensweise. Es scheint, als würden zumindest entlang des Donaukanals keine Bäume geopfert werden, die nur für die Zeit der Baustelle „im Weg stehen“, und auch Maßnahmen wie Wurzelbrücken sollen die Anzahl der hier gerodeten Bäume so gering als möglich halten. Das ist Ansichtssache, denn auch die rund 100 Bäume, die in diese Bereich insgesamt gerodet werden sollen, sind viel. Als Begründung für die Rodungen bei den Kanälen werden die Wurzeln genannt. Doch könnten die Kanäle im Rahmen der Sanierung nicht einfach näher an der Autobahn neu gebaut werden, um die Anzahl der zu rodenden Bäume zu reduzieren? Mit dem entsprechenden Willen wäre das wohl möglich. Die Erweiterung der A4 in dieser Form ist vor allem eine politische Entscheidung. Die politisch Verantwortlichen geben den Rahmen vor, in dem sich die Asfinag bewegt. Und die plant die Sanierung in dieser Form seit vier Jahren.

Im Abschnitt zwischen Donaukanal und Knoten Schwechat stellt sich die Lage anders dar. Dort verläuft die Autobahn in Hochlage und der Großteil der zur Rodung beantragten Bäume wächst auf den Böschungen. Das wilde Dickicht, das sich über Jahrzehnte gebildet hat, ist ein wertvoller Lebensraum für viele Tiere. Laut dem Team der Asfinag bildete sich der dortige Baumbestand nur, weil die Autobahnmeisterei die Pflege der Böschungen venachlässigte. Die meisten Bäume sollen zwischen 25 und 40 Jahre alt sein. Die Situation ist vergleichbar mit Bahndämmen, die eigentlich bewuchsfrei geplant sind, die ÖBB den Wildwuchs jahre- oder jahrzehntelang ignorieren und die Bevölkerung sich dann zurecht beschwert, wenn das liebgewonnene Grün irgendwann komplett entfernt wird. Im Falle der A4 entsteht eine besonders absurde Situation: Die Asfinag muss aufgrund der Bäume, die groß genug sind, nicht einfach entfernt werden zu dürfen, die Rodung von Böschungsflächen beantragen, auf denen kein Bewuchs geplant war – mangels ausreichender Grundstücke wird ein Teil der Ersatzpflanzungen aber genau auf diesen Flächen erfolgen.

Maßnahmen für die Fauna

Vor einigen Wochen wurde mit der Umsetzung ökologischer Auflagen begonnen. So wurden z. B. 40 Kästen für die sieben vor Ort vorkommenden Fledermausarten aufgehängt und kompakte Biotope für Zauneidechsen errichtet, die jeweils aus einem Totholzhaufen und einem Sandarium bestehen und eingezäunt wurden. Weiters wurde mit der Errichtung von Sperrzäunen begonnen, die das Eindringen von Zauneidechsen auf die Baustelle verhindern sollen. Nach dem Ende der Fortpflanzungsperiode werden Zauneidechsen abgesammelt und in Ersatzbiotopen ausgesetzt. Die mit GPS-Sendern ausgestatteten Fledermauskästen werden derzeit noch nicht benützt.

Der Fokus liegt zwar auf der Zauneidechse, aber es gibt im zukünftigen Baustellenbereich noch deutlich mehr zu schützende Tierarten. Klaus Wechselberger erwähnt den Großen Feuerfalter und stößt auf taube Ohren. Es wird klar: Von offizieller Seite dient die sympathische Zauneidechse als Maskottchen für die ökologischen Maßnahmen.
Für Insekten wäre es förderlich, wenn die umgeschnittenen Bäume zumindest teilweise als Totholz liegen bleiben würden. Das ist aber nicht vorgesehen und wird mit einer daraus resultierenden Überdüngung des Bodens begründet.

  • Totholzhaufen und Sandarium für Zauneidechsen. Auf der Silberpappel hängt ein Fledermauskasten.

Während Wolken aufziehen und sich die Sonne dem Horizont nähert, radelt die Gruppe zu einer bereits angelegten Ausgleichsfläche. Am Weg dorthin ist ein Mitglied des Asfinag-Teams sehr dankbar für einen Trinkwasserbrunnen. Dieses kleine Detail zeigt, wie selbstverständlich der Umgang mit Trinkwasser in Wien ist und wie sehr alles zusammen hängt. Punkto Trinkwasser ist Wien eine verwöhnte Stadt. Einerseits durch die Hochquellwasserleitungen, die noch während der Monarchie gebaut wurden, andererseits durch Grundwasserwerke. Das ermöglicht es, der Bevölkerung über unzählige Brunnen in der Stadt Trinkwasser auch unterwegs zur Verfügung zu stellen. Leider gefährdet die Liebe der drei Großparteien zum Lobautunnel die Trinkwasserversorgung Wiens auf fahrlässige Weise: Nicht nur indirekt, da durch die Folgen dieses verkehrspolitischen Irrwegs der Klimawandel vorangetrieben wird, sondern auch direkt, da die Tunnelröhren einen bedeutenden Eingriff in den Grundwasserkörper darstellen und zu allem Überfluss durch die Dichtwände und das kontaminierte Erdreich des Ölhafens Lobau führen.

Von weit ausholenden Gedanken zurück zum Geschehen vor Ort: Die Ausgleichsfläche wird über radweglose Straßen erreicht. Kein Wunder, da die Gegend wenig Potenzial für medientaugliche Eröffnungsfeiern hat. Bauzäune schirmen das Areal vor Menschen ab, Wildgitter darin gepflanzte Jungbäume vor Rehen. Ein niedriger Holzaun bildet die dritte Abschirmung, die aber nur dazu dient, umgesiedelte Zauneidechsen am Areal und von den bevorstehenden Bauarbeiten entlang der Lärmschutzwand fern zu halten. Die wird nämlich erhöht, um die Lärmbelästigung für Anwohnende zu reduzieren. In dem präsentierten Bereich wachsen nur Gehölze, die nicht gerodet, sondern auf Stock gesetzt werden. So wird das bodennahe Abschneiden genannt. Die hier wachsenden Großsträucher wie z. B. die Kirschpflaume werden danach wieder austreiben – wenn alles nach dem ökologischen Plan läuft. Dass das nicht immer klappt, zeigt der Bewuchs der Lärmschutzwand. Ursprünglich war dafür eine andere Pflanzenart geplant, durchgesetzt hat sich aber ein Neophyt. Auch das ist ein Symptom des voranschreitenden Klimawandels.

  • Die bewachsene Lärmschutzwand wird entfernt und erhöht. Die Gehölze werden auf Stock gesetzt.

Die Zeit läuft davon

Da die Zeit bereits deutlich vorangeschritten ist, verzichtet die Gruppe auf die weitere Befahrung. Während einer kurzen Verabschiedungsrunde sagt Klaus Wechselberger zu Projektleiter Thomas Kozakow noch, dass es menschlich ja passe – der Rest des Satzes bleibt unausgesprochen. Ja, menschlich passt es und das Team der Asfinag wirkt auch wirklich bemüht, die Auswirkungen des Sanierungsprojektes auf die Umwelt möglichst gering zu halten, aber persönliche Sympathie ändert nichts an der Grundproblematik. Das große Problem bleibt die politische Ignoranz der Großparteien, die Klimaschutz nur dann zulässt, wenn er nicht stört. Mit dieser Strategie bleibt Österreich Teil des globalen Problems. Das zeigt sich nicht nur bei der A4-Sanierung, die komplett anders ablaufen könnte, wenn die Politik es nicht verschlafen hätte, die Bevölkerung bundesländerübergreifend aus der Abhängigkeit vom Auto zu befreien.

Zurück zum Anfang. Warum dauert es Jahrzehnte, bis ein Baum das CO₂, das bei einem Flug von Wien nach Paris anfällt, aus der Atmosphäre filtert? Geradezu täglich werden CO₂-Emissionen in den Nachrichten in der Einheit Tonne erwähnt. Eine Tonne CO₂ entspricht ca. 272 Kilogramm Kohlenstoff, die in rund 544 Kilogramm Trockengewicht von Holz gebunden sind. Pappeln haben eine Darrdichte von 410 kg/m³, woraus sich ergibt, dass rund 1,3 Kubikmeter Holz gebildet werden müssen, um eine Tonne CO₂ aus der Atmosphäre zu filtern. Eine Tonne CO₂ entspricht ca. der Menge, die ein Direktflug von Wien nach Paris für vier Personen verursacht. Wenn sich auch der Rückflug ausgehen soll, können nur zwei Personen fliegen. Der Musterbaum, der diese Flüge kompensiert, ist die Silberpappel mit der Nummer 1086. Sie ist laut dem Wiener Baumkataster elf bis fünfzehn Meter hoch, misst 127 Zentimeter im Umfang und ist 35 Jahre alt. Wird sie gerodet und verbrannt oder kompostiert, wird der gebundene Kohlenstoff wieder freigesetzt.

Die Rodung so vieler Bäume bedeutet tausende verlorene Jahrzehnte. Denn mit den Ersatzpflanzungen beginnt die Einlagerung von Kohlenstoff wieder bei Null. Als Gesellschaft haben wir aber keine Zeit mehr, um nochmals bei Null anzufangen. Wir müssen erhalten, was zu erhalten ist. Wir müssen renaturieren, was zu renaturieren ist. Wir müssen die Blockade des Fortschritts aufgeben. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig.
Darum bleibt die Frage aktuell: Gibt es wirklich keine Möglichkeit, die A4 ohne Rodung von mehr als 1.200 Bäumen zu sanieren, oder scheitert es am Willen?


In aller Kürze:
Für die A4-Sanierung werden mehr als 1.200 Bäume gerodet. Im Rahmen einer Besichtungsfahrt mit Mitgliedern des Projekt-Teams der Asfinag wurde geklärt, dass der Großteil dieser Rodungen entgegen den ersten medialen Berichterstattungen nicht entlang des Donaukanals stattfindet. Neben dem Begleitweg werden vereinzelt kleinere Baumgruppen gerodet, auf Böschungen direkt neben der A4 alle Bäume. Außerdem gibt es ökologische Begleitmaßnahmen zum Schutz von Zauneidechsen und Fledermäusen. Der Begleitweg, der vom Fuß- und Radverkehr benützt werden darf, wird während der Sanierung gesperrt und danach nur noch vier Meter breit sein. Die Umleitung erfolgt über die Erdbergstraße, den Gaswerksteg und die Lucie-Goldner-Promenade.

Weiterführende Informationen und Links:
1.300 Bäume müssen A4-Sanierung in Wien weichen (meinbezirk.at, 31.10.2023)
A 4 Ost Autobahn Generalsanierung Knoten Prater bis Knoten Schwechat (asfinag.at)
Wie viel Kohlendioxid (CO₂) speichert der Baum bzw. der Wald (wald.de)
Hartholz oder Weichholz? Werte zur Bestimmung und Definition (kaminholz-wissen.de)
CO₂-Rechner (co2.myclimate.org)
Wiener Baumschutzgesetz (ris.bka.gv.at, Fassung vom 1.12.2023)
Wien Umweltgut: Baumkataster (wien.gv.at)

Einmal Gürtel und retour

Die Stadt Wien hat sich große Ziele gesetzt. Mit den bisherigen Scheinmaßnahmen wird sie diese nicht erreichen. Das Gelingen der Verkehrswende ist von einem praxistauglichen dichten und durchgängigen Radwegenetz abhängig.

Der Gürtel ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Wiens. Die Wiener Stadtregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Autoverkehr drastisch zu reduzieren. Trotzdem gibt es am Gürtel teils 8 Fahrspuren für den Kfz-Verkehr, während sich Zufußgehende und Radfahrende meist auf gemeinsam genutzten Flächen drängen müssen.
Dabei beginnt eine Fahrt über den Gürtelradweg vielversprechend – zumindest von St. Marx kommend. Am Landstraßer Gürtel, direkt neben dem Stadtentwicklungsgebiet Aspanggründe, sind Geh- und Radweg sanft aber klar getrennt und für den aktuellen Bedarf ausreichend breit.

Gürtelradweg am Landstraßer Gürtel
Gürtelradweg am Landstraßer Gürtel

Der erfreuliche Beginn führt aber schon nach nur 500 Metern in eine Nebenfahrbahn und mündet knapp zwei Häuserblocks weiter in die Hauptfahrbahn des Landstraßer Gürtels. Nach 500 Metern im Mischverkehr können Radfahrende mit der Fortsetzung des Radwegs wieder Hoffnung schöpfen – allerdings nur kurz, denn nach zwei Häuserblocks endet der Gürtelradweg abermals in der Hauptfahrbahn.

Nur jene, die in die Argentinierstraße oder zum Hauptbahnhof müssen, dürfen ihre Fahrt auf Radwegen fortsetzen. Für alle anderen folgt eine rund 2 Kilometer lange Durststrecke auf der Hauptfahrbahn des Gürtels, bis beim Herweghpark der durchgängige Abschnitt des Gürtelradwegs beginnt. Weniger Mutige müssen die Lücke bis zum Beginn der von den Fahrbahnen baulich getrennten Infrastruktur mit der Ausweichroute durch Neben- und Parallelgassen mit weniger Kfz-Verkehr überbrücken. Bei dieser alternativen Radroute, die zum größten Teil aus für den Radverkehr geöffneten Einbahnen besteht, ist Ortskenntnis von Vorteil.

Sobald der Herweghpark erreicht ist, kommen Radfahrende knapp 7 Kilometer weit einigermaßen sicher bis zur Nußdorfer Straße. Abschnittsweise gleicht die Strecke aber einem Hindernisparcour und ist großteils nur als gemeinsam zu nutzender Geh- und Radweg ausgeführt. Schon der Beginn in Margareten zeigt sich eher schmal bemessen und bereits nach 170 Metern kommt die erste Schikane. Anstatt einer direkten Führung des Radweges wird er in U-Form und über eine Verkehrsinsel geführt. Statt einer Ampel sind zwei zu passieren.

Mehr Platz für ein faires Miteinander

Hanna Schwarz von „Geht.Doch Wien“ sagt über den Gürtel: „Die Situation für aktive Mobilität ist beengt. Viele Radfahrende, viele Fußgängerinnen. Auf einem gemeinsam geführten Mehrzweckstreifen. Das führt zu vorprogrammierten Konflikten und ist nicht ideal. Will man aktive Mobilität fördern, braucht es mehr Platz für getrennte Radwege und Fußwege.“

Ein Blick auf den Gaudenzdorfer und Gumpendorfer Gürtel bestätigt das. Die Ausführung als gemeinsamer Geh- und Radweg ist besonders in den Kreuzungsbereichen Ursache für Konfliktsituationen. Am Knotenpunkt zwischen Gürtel und Wienzeile wird der Autoverkehr zuungunsten des Fuß- und Radverkehrs bevorzugt. Während Autofahrende die Stelle rasch passieren können, werden Zufußgehende und Radfahrende über Verkehrsinseln und sich kreuzende Wege geleitet. Statt die Linke Wienzeile in einem Zug überqueren zu können, müssen mehrere Ampelphasen abgewartet werden.

Geduldsprobe am Europaplatz

Das nächste Teilstück bis zum Westbahnhof besteht am Gumpendorfer Gürtel aus einem schmalen Geh- und Radweg, am Mariahilfer Gürtel aus einem schmalen Radweg. Der Westbahnhof ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Fuß- und Radverkehr werden hier jedoch besonders benachteiligt behandelt.

Ein Video des Alltagsradlers und Filmemachers Daniel Bleninger demonstriert das eindrucksvoll. Seitens der Mobilitätsagentur Wien wurde von Martin Blum bereits 2014 eine Verbesserung der Situation am Westbahnhof angekündigt. Geschehen ist bisher allerdings nichts.

Vergleich des normalen Radweges mit der direkten Fahrt entlang des Neubaugürtels während einer „Critical Mass“.

Über den Urban-Loritz-Platz scheint ein schmaler Einrichtungsradweg zu führen. Der Eindruck täuscht aber, denn es handelt sich dabei um einen Zweirichtungsradweg. Als ob das bei Gegenverkehr nicht herausfordernd genug wäre, hat die Stadt als Schikane einen Baum gepflanzt, um dessen Baumscheibe sich der Radweg für einige Meter teilt.

Zwischen der Hauptbibliothek und der Volksoper sorgen Seitenwechsel dafür, dass keine Langeweile aufkommt, und rote Wellen geben ausreichend Gelegenheit, um im Kopf die Einkaufsliste durchzugehen.

Gegen Ende der Tour über den Gürtelradweg kommen zwei Stellen, an denen 2022 Verbesserungen umgesetzt wurden. Knapp nach der Volksoper wurde die beengte Situation am Währinger Gürtel durch einen Bypass von etwa 300 Metern Länge entschärft. In Döbling führt der Gürtelradweg nun zuerst durch eine Fahrradstraße und dann über einen Geh- und Radweg, bevor er im Mischverkehr endet. Wie in Margareten fehlt auch in Döbling die anschließende Radinfrastruktur.

Am Gürtel ist genug Platz, man muss ihn nur anders verteilen

Die Anzahl radelnder Kinder und Familien ist ein guter Indikator für die Qualität von Radinfrastruktur. Obwohl der Gürtelradweg eine wichtige Alltagsverbindung darstellt, wird er nur von wenigen Kindern benützt. Das Radfahren am Gürtel ist schon für Erwachsene eine mühsame Angelegenheit. Ungleich schwieriger gestaltet es sich für Kinder und Familien.
Florian Klein, Organisator der „Kidical Mass“: „Der Gürtelradweg ist alles andere als kinderfreundlich. Besonders die Kreuzungssituationen sind für Kinder (und Erwachsene) sehr gefährlich. Hinzu kommt die schlangenlinienförmige Routenführung, die es Kindern nicht leichter macht, sich am Radweg sicher zu bewegen. Auch die fehlende Mittelmarkierung und der Fußverkehr erschweren Kindern die sichere Fahrt.“

Sein Fazit zur Situation am Gürtel: „Am Gürtel ist genug Platz für eine gute, (kinder-)sichere Radinfrastruktur, man muss ihn nur anders verteilen.“ Ergänzend sagt Klein: „Der Gürtel ist natürlich nicht das einzige ‚Sorgenkind‘ im Wiener Radverkehr. Das fehlende Netz an Radwegen macht es Familien kaum möglich, ihre Ziele in Wien sicher mit dem Rad zu erreichen.“

Damit sich das ändert, organisiert Klein seit 2018 Fahrraddemonstrationen namens „Kidical Mass“. Diese familientaugliche Version der „Critical Mass“ findet österreichweit in einigen Städten statt. Die nächsten Termine in Wien sind am 6.5. und 3.6.2023 – demonstriert wird u. a. für kindgerechte sichere Radinfrastruktur. Davon profitieren auch Erwachsene, die Alltagswege derzeit nicht radelnd zurücklegen, weil ihnen das Radfahren im Mischverkehr zu gefährlich ist.

Wer autofreie Stadtteile will, muss Radwege bauen

Zurück zum Stadtenwicklungsgebiet Aspanggründe. Bis zum Jahr 2026 sollen dort 3.100 geplanten Wohnungen fertiggestellt werden. Der neue Stadtteil wurde als weitgehend autofrei geplant. Nimmt die Stadt ihre Klimaziele ernst, würde das bedeuteten, dass nicht nur das Wohngebiet frei von Autoverkehr ist, sondern auch die An- und Abreise autofrei erfolgt. Das ist derzeit allerdings gar nicht so leicht möglich. In angenehmer Fußgehreichweite sind die Aspanggründe derzeit nur durch die S-Bahn-Station „St. Marx“ ans hochrangige öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Aufgrund der Nähe zum Stadtzentrum und dem Hauptbahnhof kann dem Fahrrad eine große Rolle als Alltagsverkehrsmittel zukommen, auch wenn es nur der Überbrückung der „letzten Meile“ dienen mag. Die Stationen „Hauptbahnhof“, „Schlachthausgasse“ und „Stadtpark“ der U-Bahn-Linien U1, U3 und U4 liegen 1-2 Kilometer von den Aspanggründen entfernt und wären somit gut für die klimafreundliche Kombination „Fahrrad & Öffis“ geeignet. Wären. Denn aktuell ist nur der Hauptbahnhof über einen sicheren Radweg erreichbar. Weder die Schlachthausgasse noch der Rennweg verfügen über Radinfrastruktur. Ein Radweg in der Schlachthausgasse wäre nicht nur eine Verbindung zur U3, sondern auch mit der sicheren Radroute am Donaukanal, im Prater und weiter bis zur Donauinsel und in die Donaustadt. Ein Lückenschluss von rund 1,3 Kilometer Länge, der einen großen Unterschied macht.

Schöne Worte sind nicht genug

Die Wiener Stadtregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Autoverkehr in den nächsten Jahren drastisch zu reduzieren. 2022 wurden 26 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt. Bis 2025 soll dieser Anteil auf 20 Prozent sinken. Das wird nur gelingen, wenn rasch attraktive Alternativen zum Autofahren geschaffen werden. Da der öffentliche Verkehr innerhalb des Gürtels bereits recht gut ausgebaut ist, bleibt der Radverkehr der größte Hebel, dieses Ziel zu erreichen. Abgesehen vom Gürtel braucht es selbstverständlich auch auf allen daran anschließenden Hauptstraßen Radwege. Die fehlen derzeit nämlich großteils. Das ist aber eine andere Geschichte.

Der Gürtelradweg als Aneinanderreihung verschiedenster Problemstellen ist alles andere als attraktiv. Er wird benutzt, weil die Alternative noch abschreckender sind: Das Radfahren im Mischverkehr mit Kfz. Das Potenzial des Gürtels für den Radverkehr wird bei Weitem nicht voll ausgeschöpft. Der Gürtelradweg muss daher zum Gürtel-Radschnellweg werden: Breit, durchgängig, direkt und mit einer Minimierung der Konfliktstellen mit dem Fußverkehr. Am Hernalser Gürtel befindet sich ein vorbildlicher Abschnitt. Auf einer Länge von 500 Metern ist der Gürtelradweg dort als großzügig breiter Radweg ausgeführt. Diese Qualität ist auf den vollen 11 Kilometern des Gürtels wünschenswert.

Radschnellweg ist zugleich Blaulichtspur

Die einfachste und am schnellsten realisierbare Möglichkeit, dies zu erreichen, stellt das Abtrennen der jeweils inneren Kfz-Fahrspur dar. Diese Variante erleichtert nicht nur Radfahrenden und Zufußgehenden den Alltag, sondern auch Blaulichtorganisationen. Denn gut ausgebaute Radwege können auch von Einsatzfahrzeugen befahren werden, um schnell am für den Gürtel typischen Stau vorbeizukommen. Im Gegensatz zu Autofahrenden können Radfahrende nämlich schnell Platz machen. Gut ausgeführte Radwege retten somit nicht nur Leben Radfahrender.

Radschnellweg statt Scheinmaßnahmen

Ein Radschnellweg am Gürtel löst als Einzelmaßnahme nicht alle Probleme und wird Wien nicht zur Klimamusterstadt machen. Er wäre aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und würde zeigen, dass die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ ihre eigenen Ziele ernst nimmt.
Bisher glänzt die Stadtregierung aber vor allem durch Mini-Maßnahmen und Scheinklimaschutz. Einen Radschnellweg am Gürtel lehnen die Verantwortlichen ab: „Stadt Wien findet Gürtelradweg okay“.
Deshalb veranstalten „Radeln For Future“ und „Parents For Future“ am 5.5.2023 den von der Polizei begleiteten und abgesicherten „Gürtel Bike Ride“. Die Teilnehmenden radeln dabei auf allen Fahrbahnen von der Spittelau bis nach St. Marx und wieder retour und fordern: Radschnellweg jetzt!


Gürtel Bike Ride

Treffpunkt: Freitag, 5.5.2023, 17:00, beim Votivpark

Alle Infos

Weiterführende Informationen:

Gürtel Bike Ride
Kidical Mass
Critical Mass
Parents For Future
Wiener Klimafahrplan bis 2040
Fachkonzept Mobilität
Koalitionsprogramm „Fortschrittskoalition“
Modal Split 2022 und 2021
Stadtentwicklungsgebiet Aspanggründe
Aktivisten demonstrieren: Wie sicher ist das Radeln am Gürtel im 9. Bezirk?