Dieser Beitrag erschien zuerst im MeiMeidling-Blog.
Valentin Ruhry, der Radfahr- und Fahrrad-Experte von MEI MEIDLING berichtet hier über seine, manchmal auch ernüchternden, Alltags-Erfahrungen.
Wenn man Wiens Straßen, den Verkehr und vor allem die Fahrradwege dieser Stadt besser kennt, wird einem schnell klar, dass die, für die Infrastruktur verantwortlichen PlanerInnen wohl auch dieser Meinung sind. Radfahren macht Spaß! So wie Skifahren, Inline skaten oder andere Hobbies eben auch.
Aber verstehen die Stadtplaner_innen Radfahren auch als ernstzunehmendes und immer beliebter werdendes Fortbewegungsmittel im Alltag?
Fährt man zum Beispiel einen der Radhauptverkehrswege von Meidling Richtung Burggasse, muss man alleine am Westbahnhof zwei mal den Gürtel und dabei sieben Ampeln queren. Wohlgemerkt, für eine Strecke von weniger als 300m, auf der AutofahrerInnen stadtauswärts und auf vier Spuren (die Parkspur nicht mitgerechnet) vergleichsweise nur eine Ampel passieren. Das ist schade, denn eigentlich sollte die Wahl des umweltfreundlicheren und vor allem gesünderen Fortbewegungsmittels belohnt und nicht bestraft werden.
Denn, und daran gibt es wohl keine Zweifel: Radfahren macht nicht nur Spaß, es ist auch gesund. Es stellt eine großartige Möglichkeit dar, um fit zu bleiben und körperlich aktiv zu sein. Es kann helfen das Herz-Kreislauf-System und das Immunsystem zu stärken und Stress abzubauen.
Wusstest du übrigens, dass Autos in der Stadt im Durchschnitt für Strecken von weniger als 10km verwendet werden? Eine ideale Distanz um am Rad mal kurz abzuschalten, sich ein bisschen auszupowern oder gemütlich durch die Stadt zu treten. Neben dem gesundheitlichen Aspekt, gibt es aber auch noch andere Gründe um Rad zu fahren.
Umweltfreundlichkeit: Radfahren ist eine umweltfreundliche Form der Fortbewegung, die keine schädlichen Emissionen ausstößt. Es trägt dazu bei, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und die Luftqualität in der Stadt zu verbessern.
Kostenersparnis: Im Vergleich zum Autofahren oder zu öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Radfahren eine kostengünstige Möglichkeit, sich in der Stadt fortzubewegen. Es gibt keine Kraftstoffkosten oder Parkgebühren zu bezahlen und Fahrräder erfordern in der Regel nur minimale Wartung.
Flexibilität: Radfahren ermöglicht es einem, sich in der Stadt schnell und flexibel fortzubewegen. Man kann mit dem Rad leicht Verkehrsbehinderungen umgehen und an Orte gelangen, an denen Autos und öffentliche Verkehrsmittel möglicherweise nicht hinkommen.
Platzersparnis: Fahrräder benötigen viel weniger Platz als Autos und können daher dazu beitragen, den Verkehr in der Stadt zu entlasten und den Platzbedarf auf den Straßen zu verringern. Platz, der in weiterer Folge gerechter aufgeteilt werden könnte.
Verbesserung der Lebensqualität: Radfahren kann dazu beitragen, das Stadtbild zu verbessern, indem es dazu beiträgt, den Lärm- und Luftverschmutzungspegel zu senken. Es kann dabei helfen, die Nachbarschaften in der Stadt näher zusammenzubringen, da es Menschen die Möglichkeit gibt, die Stadt auf eine andere Weise zu erleben und sich miteinander zu vernetzen.
Zu schön um wahr zu sein
Nur leider hat die Sache auch einen Haken: Radfahren macht zwar Spaß, kann aber auf lange Sicht auch sehr frustrieren, ist gefährlich und für Kinder keine realistische Option weil es zu unsicher ist. Die Gründe dafür sind die schlechte oder überhaupt fehlende Infrastruktur, Radstreifen in sogenannten Dooring-Zonen (so nennt man den Bereich eines Radweges in den plötzlich geöffnete Türen von geparkten Fahrzeugen hinein ragen) und fehlende Rücksicht motorisierter VerkehrsteilnehmerInnen gegenüber Radfahrerinnen (Stichwort: Überholabstand).
Dies führt dazu, dass Kinder und Jugendliche nicht in der Lage sind, eigenständig und sicher zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule oder zu Freizeitaktivitäten zu gelangen. In Amerika wurde der Begriff „Backseat Generation“ geprägt, der sich darauf bezieht, dass diese Kinder gezwungen sind, auf der „Rückbank“ des Autos zu sitzen um von ihren Eltern oder anderen Erwachsenen transportiert zu werden, anstatt ihre Umgebung eigenständig und aktiv zu erkunden.
Eine traurige Entwicklung.
Initiativen in Wien
Auch wenn die Stadtregierung gerne in Superlativen wie „Mega-Radwegoffensive“ von ihren Bemühungen schwärmt, ist das Ergebnis zaghaft und kraftlos. Wer möchte, dass mehr Wienerinnen und Wiener aufs Rad umsteigen, muss ordentliche Infrastruktur schaffen und dazu braucht es Platz. Platz, den man zur Zeit vor allem dem motorisiertem Individualverkehr überlässt.
In Wien wissen das inzwischen zahlreiche Initiativen wie „Radeln for future“, die Organisatoren der „Critical Mass“, der „Kidical Mass“ oder die Radlobby, die allesamt regelmäßig gemeinsame Ausfahrten oder Rad-Demos organisieren um auf das Problem aufmerksam zu machen.
So findet die traditionelle Criticalmass jeden 3. Freitag im Monat statt, Radeln for Future trifft sich jeden 1. Freitag im Monat zum gemeinsamen Radeln für die Verkehrswende in Wien.
Am 16.6. findet das MeiMeidling Grätzlfest mit Diskussion mit Fokus auf die nächste Generation statt: